So manchen Baum im Schutzwald eingepflanzt

In unserer Serie berichten uns ältere Menschen, die in der Rhode Lienz wohnen, aus ihrem Leben. 

Pius Heeb ist im Bachfeld aufgewachsen und wohnt noch immer dort. Er hat gute Erinnerungen an seine Kindheit und würde heute alles nochmals gleich machen. Mit Engagement hat er sich in seinem Leben in vielen öffentlichen Ämtern eingesetzt.

Blick ins Tal

Pius Heeb geniesst von seiner Stube aus eine traumhafte Aussicht ins Rheintal und die Österreicher Berge. Auch wenn das Leben im Bachfeld, auf halber Strecke zwischen Lienz und dem Furnis gelegen, nicht nur Vorteile bietet, möchte Pius an keinem anderen Ort leben. Hier mit seinen Eltern, den vier Brüdern und zwei Schwestern aufgewachsen, hat er mittlerweile 85 Jahre Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen. Seine Eltern betrieben ein kleines Bauerngewerbe mit vier Kühen und ein paar Rindern. Seit dem Tod der Eltern bewohnt Pius das Elternhaus zusammen mit seinem Bruder Julian. Er geniesst die Ruhe, schätzt aber auch die Spaziergänger, die auf ihrem Weg kurz innehalten und Zeit für ein Schwätzchen haben.

Mit Töffli oder Transporter

Andere Gelegenheiten, mit den Dorfbewohnern Kontakt zu haben, sind in den letzten Jahren rar geworden. «Früher traf man im Laden, auf der Post oder der Bank immer jemanden an, mit dem man sich unterhalten konnte», erinnert sich Pius. Wenn er heute mit seinem Töffli oder dem Transporter durch das Dorf fahre, sei oft keine Menschenseele zu sehen. Das Töffli wird von den beiden «Bachfeldern» regelmässig bewegt, sei es, um etwas zu erledigen oder zum Einkehren und einen Jass zu klopfen.

In den 30er Jahren, Pius‘ früher Kindheit, gab es nichts als Schusters Rappen. Der Mist wurde auf einer Trage auf dem Rücken das Bord hinaufgetragen und auf der Wiese verteilt, der «Türggen» mit einem Handwagen vom Acker im Fohren den Berg hinaufgezogen.

Der Winter machte seinem Namen noch alle Ehre. Damit die Kinder zur Schule gehen konnten, watete der Vater durch den hohen Schnee und die Kinder folgten ihm. Anschliessend schaufelte er den Weg frei. Alle acht Klassen wurden damals gemeinsam von Lehrer Keller unterrichtet, erinnert sich Pius. Lehrer wie er hätten damals noch Macht und Respekt genossen. «Herr Keller war ein scharfer Lehrer und hatte seine Haselstecken.»

95 Rappen für einen 4-Pfünder

Pius hat viele gute Erinnerungen an seine Kindheit im Bachfeld. An eine Zeit, als das Frühstück aus Ribel und der Zmittag aus Kartoffeln bestanden hatte. «Von Fleisch war da keine Spur», sagt er. «Manchmal hat uns Mutter einen Franken mitgegeben, um nach der Schule einen Vierpfünder zu kaufen. Wir bekamen jeweils noch 5 Rappen raus und nachdem wir mit dem Brot zu Hause angelangt waren, wog der Laib meistens nicht mehr vier Pfund», schmunzelt Pius. Es hätte aber auch Jahre gegeben, in denen man sich den Hypothekenzins vom Mund absparen musste. Das Kühlhaus bei der Käserei war ein grosser Fortschritt. Fleisch und Gemüse konnte dort in einem Mietfach gelagert werden. Das war teuer, deshalb wurde stets darauf geachtet, dass das Fach gut gefüllt war und rentiert.

Viele Ämter bekleidet

Zwei Sommer lang war Pius als Hirt auf der Alp und später als Knecht in Ruggell angestellt – der Monatslohn betrug dort 60 Franken. «Ma hät nöd müesa wüescht tua!» Seither lebt er im Bachfeld. Wann immer sich Gelegenheit bot, wurden Arbeiten wie Haagen, Säubern oder beim Strassenbau bei der Räberen- und der Tannmoosstrasse angenommen. Der Stundenlohn betrug zwei Franken. Viele andere Einnahmequellen gab es für die Bauern damals nicht. Ausser man konnte ein öffentliches Amt bekleiden und darin war Pius gefragt. So war er schon als «junger Schnuderi» in der GPK der Schule, erzählt er. Er sei halt einer gewesen, der bereit war, Verantwortung zu übernehmen, aber auch einer, der nicht nein sagen konnte. «Und das Geld konnte man ja brauchen.» Pius hatte als Präsident der Käsereigenossenschaft, Präsident der Viehzuchtgenossenschaft, Mitglied der bäuerlichen Bezirksvereinigung, Mitglied der GPK der Alpen Kamor und Räberen und 25 Jahre lang als Stellvertreter bei der SAK alle Hände voll zu tun – aber auch viel Einblick.

Manch Sturm und Freude erlebt

31 Jahre lang war Pius auch im Rat der Rhode und hat manch Sturm und Freude miterlebt. Als grösste Freude bezeichnet er das Eintreffen der Baubewilligung für die Blockhütte. Die Hütte sei dann grossteils von den Verwaltungsmitgliedern geplant und gebaut worden.

Eine Katastrophe sei dagegen das Thema «Litten» gewesen. Ständig hätte es Reklamationen von Seiten der Bürger gegeben und immer seien es die Gleichen gewesen, die den Kopf hingehalten und mit den Leuten verhandelt hätten. Die Deponie Litten war aber auch lukrativ und das Dorf Lienz konnte profitieren. 500‘000 Franken hat die Rhode in den 70er Jahren an den Bau neuer Strassen beigesteuert. Auch das sei nicht einfach gewesen, weil viele Anwohner das Land für die neuen Strassen nicht hergeben wollten. «Deshalb schlägt man sich im oberen Teil der Stockenstrasse fast die Knie an», bedauert er.

Viele Bäume, die heute im Schutzwald und in den Windschutzstreifen im Tal stehen, wurden von Pius eingepflanzt. Holz war ein begehrter Rohstoff und so hätte die Rhode einmal 13 Holzganten im selben Winter angeboten, erinnert sich Pius. Jede Haushaltung hätte jeweils von der Rhode im Winter gratis einen Ster Holz erhalten, damit wenigstens das wärmende Feuer im Ofen nicht erlosch.

Text/Bilder: Heidy Frei