Als Naturheiler weit herum bekannt

In unserer neuen Serie berichten uns ältere Menschen, die in der Rhode Lienz wohnen, aus ihrem Leben. Die Geschichten zeigen auf, was die Menschen in früheren Generationen bewegte und welche Anforderungen das Leben stellte.

Jakob Heeb hat sein ganzes Leben im Lenz 12 in Lienz verbracht. Wann und wo immer Hilfe gebraucht wird, ist Köbi zur Stelle. Nicht nur beim Holzen oder Heuen – auch als Naturheiler hilft er gerne und hat sich damit bereits weit über die Dorfgrenzen hinaus einen Namen gemacht.

Köbi, so kennt und nennt man Jakob Heeb in Lienz, wohnt schon sein ganzes Leben lang – seit 78 Jahren also – im Lenz 12. Hier ist er mit seinen beiden Schwestern Ida (Jahrgang 1930) und Rosmarie (Jahrgang 1938) aufgewachsen. Die Schule besucht er bis zur 8. Klasse im Dorf. Neben der Schule heisst es auf dem elterlichen Bauernhof helfen – «manchmal 10, 12 Stunden am Tag», erinnert sich Köbi.

Die Jugend ist damals von Kindesbeinen an in den Arbeitsalltag in Haus und Hof eingebunden und die Schule nimmt auf diesen Umstand Rücksicht – zumindest zur Zeit der Heuernte. Die älteren Kinder sind dann nur vormittags in der Schule, die jüngeren am Nachmittag. Köbi übernimmt später den elterlichen Betrieb – für den einzigen Sohn der Familie ist das vorbestimmt. «Jemand musste ja hier bleiben und sich um alles kümmern», sagt er. Der Vater stirbt im Alter von 78 Jahren, seine Mutter wird 91 Jahre alt. Eine Gelegenheit, wegzugehen, gab es deshalb nie. Er ist auch heute noch am liebsten im Dorf und geht nur sehr ungern weg.

In Lienz gehören damals etwa zwei Drittel der Haushalte dem Bauerngewerbe an. 32 Milchlieferanten beliefern die Lienzer Käsi in ihren Glanzzeiten. Kein Wunder, denn Milch wird damals gut bezahlt – mehr als einen Franken gibt es pro Liter. Gute Preise erzielt man auch mit Schweinemast. Ein 7-wöchiges Ferkel bringt in dieser Zeit etwa 100 Franken – mehr als eine Kuh!, erinnert sich der Bauer. Köbi’s Eltern sind froh um jeden Franken. Nicht selten müssen sie im Herbst Rinder verkaufen, damit der Zins bezahlt werden kann.

Mit Kühen gefuhrwerkt

In den Wintermonaten wird jeweils nach Arbeit ausser Haus gesucht. So arbeitet Köbi während der Jahre in der Batteriefabrik in Rüthi, holzt auf dem Bützel, schaufelt Schnee mit seiner Mutter für den Kanton, arbeitet für die Melioration oder im nahen Steinbruch. Hart ist nicht nur die Arbeit, sondern auch die Bezahlung – gerade mal zwei Franken gibt’s nämlich in der Stunde. «Ma hät no billig gwerchet dozmol», sinniert Köbi.

Auf dem Hof ist alles Handarbeit, gefuhrwerkt wird mit Kühen – später mit Rössern. Als erster im Dorf schafft sich Ernst Weder, alt Löwenwirt, einen Hürlimann an. Nach und nach hält die Mechanisierung Einzug im Dorf. Im Jahre 1974 besitzt auch Köbi Heeb den ersten Transporter, sechs Jahre später den ersten Traktor. Subventionen oder sonstige Zuschüsse gibt es damals noch keine. Es ist Anton Stadler, damals Gemeindeammann von Altstätten und später auch Nationalrat, der sich dafür einsetzt, dass wenigstens die Pflege des steilen «Büchelboden» mit ein paar Franken subventioniert wird. Nach und nach werden dann für die ganzen bergseitigen Weideflächen Zuschüsse bezahlt.

Viel Betrieb im Fohren

Es ging nicht immer alles geradeaus, erinnert sich der Bauer. Als er drei Rinder auf einmal verliert, die auf der Räberenalp abgestürzt sind, gibt es nirgendwo her einen Schadenersatz. «Es gab zwar bereits Versicherungen damals, aber die waren für die meisten Leute unerschwinglich.»

Auf den Äckern im Fohren pflanzt Köbi’s Familie, wie viele andere aus Rüthi und Lienz, Kartoffeln und Mais an. Das insgesamt etwa 90 Hektaren grosse Feld  ist damals aufgeteilt in lauter 7-Aren-Äcker, die von der Gemeinde Rüthi dann gepachtet werden konnten. «Da herrschte jeweils ein Riesenbetrieb.» Betrieb herrscht auch immer im Dorf. Die Familien sind kinderreich und das Leben spielt sich hier ab. Das Dorf bietet Konsum, Bäckereien, Beizen, Post und Käserei. Die Leute hausieren mit dem, was sie haben und freuen sich über ein gutes Gegengeschäft.

In Lienz wird aber nicht nur gearbeitet. Wenn’s Zeit ist, wird auch die Geselligkeit ausgiebig gepflegt. So ist der Maskenball im Rössli oder die «Türggahülschet» unvergessen. «Es isch vielfach scho au cheiba luschtig gsi», lacht Köbi.

Naturheilen

Vor etwa 40 Jahren hat Köbi eine besondere Gabe von seinem Vater übernommen: Das Naturheilen. Seine «Praxis» ist heute weit herum bekannt. Er kann Schmerzen nehmen, Blut stillen, hilft bei Ekzemen, Allergien, Muskelschwund usw. Der Mond unterstützt Köbi bei seiner Arbeit genauso wie das Vertrauen der Patienten in seine Fähigkeiten. «Ich sehe sofort, ob jemand daran glaubt.» Davon sei der Erfolg weitgehend abhängig. Er habe schon Menschen geheilt, denen der Arzt nicht helfen konnte, sagt Köbi nicht ohne Stolz. Denn Ärzte wüssten oft gar nicht mehr, was sie tun sollen, deshalb versuchen es immer mehr Menschen mit der Natur. «Zu sehen, dass man helfen kann, gibt einem auch selbst wieder Kraft.» Die Gabe zum Naturheilen haben auch seine Schwester Rosmarie und eine Tochter von Ida.

Holunderwein

Im Jahre 2003 gibt Jakob Heeb seinen Bauernbetrieb auf. Das ist für ihn aber kein Grund, sich dem Nichtstun hinzugeben. Er hilft seither gerne überall dort, wo es etwas zu tun gibt. Sei es beim Heuen, beim Bauen, Holzen oder einfach beim Jäten in Nachbars Garten. 40 Jahre Erfahrung, auserlesene Äpfel und Holunderbeeren, Holzfässer im Keller und ein altes Familienrezept sind das Geheimnis für Köbis berühmt-berüchtigten Holunderwein. Qualität kommt dabei vor Quantität und schon manch gesellige Runde hat sich in seiner guten Stube daran gütlich getan.

Text/Bilder: Heidy Frei